Gleich im ersten Artikel geht es auf die andere Seite des Planeten und zwar soll es um China gehen und dessen Staatschef Xi Jinping. In China fand nämlich vor kurzem der 20. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas statt. Parteitage dort gibt es nur alle fünf Jahre. Die Art und Weise, wie China regiert wird, unterscheidet sich dabei stark davon, wie beispielsweise Deutschland regiert wird.
Dort wird nicht wie bei uns das Parlament von allen gewählt und von den Parlamentariern dann der Regierungschef. Stattdessen gibt in China die Kommunistische Partei (KP) mit ihren Gremien den Ton an. Die Kommunistische Partei regiert China unangefochten seit Jahrzehnten. Das funktioniert dort auch deshalb, weil es seit einigen Jahren einen inoffiziellen Pakt mit der Bevölkerung gibt: Die Bevölkerung hält sich mit Kritik zurück und macht mehr oder weniger brav alles mit. Im Gegenzug sorgt die KP dafür, dass es den Leuten nicht nur gut geht, sondern sogar immer besser. Steigender Wohlstand soll also die Akzeptanz der Bevölkerung für die eigene Politik sicherstellen. Eine Diktatur war China schon lange, aber das Ausmaß davon, wie streng der Staat gegenüber den Bürgern war, war nicht immer gleich stark. Die Chinesen haben mal mehr und mal weniger Freiheiten genossen. Mittlerweile werden es immer weniger.
Die Weichen für ihre Politik stellt die KP alle fünf Jahre auf einem Parteitag. Dieser dauert, anders als in der deutschen Politik, wo es meist ein bis drei Tage sind, eine ganze Woche. Auch aktuell war es mal wieder soweit und darüber soll es an dieser Stelle gehen. Vom 16. bis zum 22. Oktober haben sich nämlich 2300 Partei-Delegierte aus dem ganzen Land versammelt. Diese haben das Zentralkomitee mit seinen gut 200 Mitgliedern gewählt und das Zentralkomitee wiederum wählte später das Politbüro, was aus 25 Mitgliedern besteht und auch den Parteichef. Daneben gibt es noch weitere Komitees und Ausschüsse, um die soll es hier aber nicht gehen. Interessant ist dieser Parteitag nämlich insbesondere wegen der Wahl des Generalsekretärs. Der Generalsekretär ist bei der KP der Parteivorsitzende.
Nachdem er zu Beginn des Parteitages eine sehr nationalistische Eröffnungsrede hielt, wurde Xi Jinping nämlich am 23. Oktober vom Zentralkomitee zum dritten Mal in dieses Amt gewählt. Daneben ist er auch Staatspräsident und hat noch weitere Titel erhalten, die allerdings eher symbolischen Wert haben. Er ist zugleich Staats- und Parteichef. Mit seiner Wiederwahl ist nicht nur der aktuelle Kurs der chinesischen Führung bestätigt worden. Auch Xis Ideologie wurde weitreichend in den Parteistatuten, also der Satzung der Partei, verankert. Xis Position ist insgesamt stärker gefestigt denn je und was womöglich auch nicht allen bewusst ist, ist, dass damit auch frühere Tabus gebrochen wurden. Für das Amt des Staatspräsidenten gab es eine Begrenzung der Amtszeiten, die bereits 2018 auf Initiative von Xi hin abgeschafft wurde. Eine solche gibt es für das Amt des Generalsekretärs nicht, doch nach den Erfahrungen mit Mao Zedong war es üblich, dass alle Parteichefs nach spätestens zwei Amtszeiten zurückgetreten sind und auf diese Weise niemand mehr derartig lange an der Macht war. Das dürfte sich nun ändern. Jetzt wo es keine Begrenzung mehr gibt und bei der Kontrolle die Xi über die Partei hat, ist es nicht absehbar, wann Xis Zeit an der Spitze des chinesischen Staates endet. Xi ist aktuell 69 Jahre alt und kann abhängig von seinem Gesundheitszustand noch lange an der Macht bleiben.
Xi wurde auf dem Parteitag nun auf eine Ebene gestellt, die nur von Mao noch übertroffen wurde. Gleichzeitig ging es auf dem Parteitag auch um Chinas politische Ausrichtung.
Wie ist also die derzeitige politische Ausrichtung Chinas? Und inwiefern wurde sie von Xi geprägt? Was folgt aus seiner Wiederwahl für die Zukunft?
China hat sich unter Xi immer mehr dem Nationalismus zugewandt und das auch mit zunehmend aggressiveren Gebaren in der Außenpolitik. China soll zur stärksten Volkswirtschaft und führenden Nation auf der Welt werden. Die Verschärfung in der Außenpolitik ist auch daran sichtbar, dass China wirtschaftlich immer stärker auf Konfrontationskurs mit den USA geht. Andersherum wird auch China von Seiten der USA immer stärker als Hauptkonkurrent betrachtet. Die Handelspolitik von Trump wird von Biden relativ nahtlos fortgesetzt, ein harter Kurs gegenüber China stößt dort auf viel Zustimmung.
Auch in der Diplomatie ist der Ton nicht immer ganz diplomatisch. So sorgte es, freundlich ausgedrückt, für große Verstimmungen, als Litauen Ende letzten Jahres eine diplomatische Vertretung Taiwans eröffnete. Üblich und geduldet ist meist eine Vertretung Taipehs, was die Hauptstadt Taiwans ist. Eine solche gibt es auch bei uns in Deutschland. Litauen hatte damit jedoch nach Sicht Chinas eine rote Linie deutlich überschritten.
Taiwan ist generell ein Thema, was mit Vorsicht behandelt werden sollte. Und es führt direkt zum nächsten Punkt, dem Militär. Xi Jinping hat auf dem Parteitag eine Vergrößerung der Volksbefreiungsarmee, so der Name der chinesischen Armee, angekündigt und unter ihm sind die Militärausgaben stetig gestiegen, auch wenn sie noch weit von denen der USA entfernt sind. China will damit seinen Einfluss in der Welt vergrößern, insbesondere im Südchinesischen Meer, wo es den anderen Anrainerstaaten (die anderen an das Südchinesische Meer grenzende Staaten) mit künstlichen Inseln Seegebiete streitig macht. Aber auch im Pazifik will China seinen Einfluss vergrößern. Dort haben die USA militärisch noch eine starke Präsenz, auch durch Partnerschaften mit Japan und Südkorea. Diese einzudämmen und zu überbieten, ist dort das Ziel von China.
In wirtschaftlicher Hinsicht ist das größte Projekt von Xis Regierung die Neue Seidenstraße. Diese ist eine Sammlung verschiedener Handels- und Infrastrukturprojekte von China über Südasien nach Europa und Afrika. Der Name hat seinen Ursprung in der Seidenstraße, einer früheren Handelsroute zwischen Zentral- und Ostasien. Während bei solchen Projekten andere Staaten immer mehr in die finanzielle Abhängigkeit von China geraten, strebt China selbst wirtschaftliche Autarkie an und will den Binnenkonsum stärken und die Abhängigkeit gegenüber anderen immer mehr verringern.
Xi hat in seiner Eröffnungsrede auch mögliche Hoffnungen auf eine Lockerung der Corona-Politik enttäuscht. Der aktuelle Kurs wird fortgesetzt und wurde von ihm sogar als notwendig bezeichnet. Anders als bei uns in Europa hat man sich in China nicht damit arrangiert, dass man mit dem Virus leben muss und es nie endgültig loswerden kann. Stattdessen verfolgt man weiter eine strenge Null-Covid-Politik und riegelt Stadtteile und Städte schon bei wenigen Fällen ab und führt Massentests durch. 2020 konnte man durch diese Maßnahmen schon im Sommer wieder so unbeschwert leben wie vor Corona und China konnte seine Strategie damals als großen Erfolg verbuchen. Es kommt aber immer wieder zu kleineren Ausbrüchen, die sich nicht verhindern lassen und die dann drastische Maßnahmen zur Folge haben. Aufgrund des anfänglichen Erfolgs und weil die Partei diesen für sich reklamiert hat, bleibt man jetzt aus einer Mischung aus Trotz und nationalistischer Ideologie weiter bei der bisherigen Politik. Da die Abriegelungen in den Städten jedoch das Leben und auch einen geregelten Arbeitsablauf lahmlegen, führt diese Politik immer mehr zu Problemen und auch zu wachsender Unzufriedenheit.
China hat daneben auch noch andere Sorgen.Dass man beispielsweise den Folgen der früheren Ein-Kind-Politik mittlerweile entgegenwirken muss, ist auch der chinesischen Staatsführung bekannt. Aber trotz entsprechender Bemühungen ist unter Xi die Geburtenrate sogar noch weiter gesunken. China wird in absehbarer Zeit anfangen zu schrumpfen. Damit trifft der demografische Wandel China noch während seines wirtschaftlichen Aufstiegs, der aktuell noch anhält.
Daneben nimmt auch der Überwachungsstaat immer stärker zu, die globalen Schwierigkeiten mit Lieferketten treffen China als Export-Nation besonders und in dem für China wichtigen Immobiliensektor häufen sich Probleme an.
Trotz aller Probleme ist China weiter von großer Bedeutung und übt überall Einfluss aus. China könnte sich dadurch sogar genötigt sehen, einige Probleme noch radikaler zu lösen. Ein ausgelebter Nationalismus kann dazu führen, dass man innenpolitische Probleme durch außenpolitische Aktivität „löst“. Xi wird den aktuellen Kurs also mindestens beibehalten, womöglich sogar verschärfen, insbesondere da er innerhalb der Partei jetzt endgültig schalten und walten kann, wie er will.
Man kann im Nachhinein des Parteitags nicht nur sagen, dass Xi mehrere früheren Tabus gebrochen hat. Er hat auch weitere ihm loyale Parteikader in wichtige Positionen gehievt und gibt ganz allein die Richtung vor. Dass wie bei uns Politiker öffentlich hinterfragt werden, das kommt dort nicht vor. Die Partei und mit ihr der Staat sind nun noch stärker auf Xi Jinping zugeschnitten, seine Ansichten sind in den Parteistatuten verankert und man folgt seiner nationalistischen Ideologie. Dabei wird immer mehr Kontrolle ausgeübt, von Xi und vom Staat. Letztlich kann man es herunterbrechen auf die einfache Formel, dass Xis Wille geschehe.
Die anwachsende Gefahr, die China mit seinen ambitionierten und aggressiv verfolgten Zielen darstellt, ist von den USA bereits erkannt worden,und auch in der EU findet langsam ein Umdenken statt. China ist ein Systemrivale und sollte nicht unterschätzt werden und genau so wenig Xi Jinping, der das Spiel der Macht beherrscht wie womöglich kein anderer.
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