In den USA kommt es alle zehn Jahre zu einer Volkszählung. Diese kann für eine Veränderung bei den Grenzen vieler Wahlkreise sorgen. Auch für die Anzahl der Wahlmänner für das Electoral College ist diese Volkszählung wichtig. Manche Staaten haben aufgrund einer gesunkenen Bevölkerung anschließend weniger Wahlmänner, andere mehr. Letztlich geht es darum, die Wahlkreisgrenzen und die Anzahl der Wahlmänner an die demographische Entwicklung der letzten Jahre anzupassen und zu aktualisieren. Das Neuziehen der Wahlkreisgrenzen ist in den Bundesstaaten unterschiedlich geregelt. In manchen Staaten ist dafür eine Kommission zuständig, die eine faire Verteilung sicherstellen soll. In anderen entscheidet die Regierung der Staaten über die Grenzziehung.
Dieses Neuziehen von Wahlkreisgrenzen wird als Redistricting bezeichnet. Aktuell ist teilweise von Redistricting War die Rede, also von einem Krieg über das Ziehen von Wahlkreisgrenzen. Auslöser dafür ist ein Vorgang in Texas. Dort wurden vor kurzem mehrere Wahlkreise für Kongresswahlen neu gezogen, allerdings von den in Texas regierenden Republikanern zu ihrem eigenen Vorteil und das zu einem Zeitpunkt, als eigentlich keine Überarbeitung der Wahlkreise anstand. Ihnen wird sogenanntes Gerrymandering vorgeworfen. Das ist eine Änderung der Wahlkreise zugunsten der eigenen Partei auf eine Art und Weise, dass bei gleichem Wahlverhalten mehr Wahlkreise an die eigene Partei gehen. Bei gleichem Wahlverhalten würde eine Partei also mehr Abgeordnetensitze gewinnen als vorher, die andere hingegen weniger.
Die Praxis des Gerrymanderings ist schon sehr alt und wurde schon Anfang des 19. Jahrhunderts in den USA angewandt. Auch in anderen Ländern werden Wahlkreise zugunsten der regierenden Partei geändert. Die USA sind insofern besonders anfällig für diese Praxis, als dass sie ein reines Mehrheitswahlrecht haben. Das bedeutet, dass alle Abgeordneten im Repräsentantenhaus in einem Wahlkreis gewählt werden. Der Wahlkreis wird jeweils von dem Kandidaten oder der Kandidatin gewonnen, der oder die die meisten Stimmen hat. Eine absolute Mehrheit ist nicht notwendig. Auch deshalb hat sich dauerhaft ein Zwei-Parteien-System entwickelt. Kandidaten von anderen Parteien haben keine realistischen Chancen, dieses Entweder-Oder zwischen den republikanischen und demokratischen Kandidaten zu durchbrechen.
Eine Folge dieses Systems ist es, dass die Zusammensetzung des Repräsentantenhauses im Kongress ausschließlich von den Ergebnissen in den Wahlkreisen abhängt. Die Ergebnisse vor Ort hängen wiederum von der Demographie und den Grenzen des Wahlkreises ab. Im Gegensatz dazu hat Deutschland ein personalisiertes Verhältniswahlrecht. Dort wird ein Teil der Abgeordneten in Wahlkreisen gewählt. Die Zusammensetzung vom Bundestag hängt aber von der Zweitstimme ab, die man einer Partei gibt. Die Zweitstimme sorgt für eine proportionale Sitzverteilung.
Als vor einigen Wochen die Republikaner in Texas ihren Vorstoß starten wollten, entschieden sich die demokratischen Abgeordneten, dies zu verhindern. Die Republikaner haben eine Mehrheit. Allerdings haben die Demokraten Texas alle verlassen und damit wurde das Abgeordnetenhaus in Texas beschlussunfähig, konnte also die geplanten Änderungen der Wahlkreise nicht beschließen. Nach gut zwei Wochen sind die Abgeordneten zurückgekehrt und die Änderung wurde beschlossen. Das war ein Vorgang, der viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Er war höchst umstritten. Zum einen war die Reaktion der Republikaner sehr hart, was die politische Spaltung der beiden Parteien deutlich zeigt. Als die Demokraten nämlich wieder zurück waren, durften sie vor der Abstimmung das Gebäude nur verlassen, wenn sie bereit waren, zu unterschreiben, nur unter Polizeibegleitung ihre Wohnungen aufzusuchen. Zum anderen geschah all das auf Basis von einem Impuls von Trump. Dieser hatte nämlich die Neuziehung der Wahlkreisgrenzen vorgeschlagen und seine Parteikollegen in Texas dazu angeregt.
Im Blick hatte er dabei die Zwischenwahlen im nächsten Jahr. Bei diesen werden nämlich das ganze Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats neu gewählt. Es ist üblich, dass die Partei des amtierenden Präsidenten dabei Sitze verliert und damit nicht selten auch ihre Mehrheit in einer oder beiden Kammern. Da die Republikaner schon jetzt nur eine hauchdünne Mehrheit haben, kommt es tatsächlich auf jeden Sitz an, den sie gewinnen. Die Aktion in Texas dürfte ihnen ganze fünf Sitze mehr sichern. Das macht einen großen Unterschied. Das würde die republikanischen Chancen auf eine Mehrheit im Kongress zumindest verbessern.
Die Aktion kann jedoch nicht für sich betrachtet werden, weil sie eine Reaktion in anderen Staaten hervorgerufen hat. So hat Kalifornien, ein mehrheitlich demokratisch gesinnter Bundesstaat, bereits Änderungen der Wahlkreise auf den Weg gebracht, die ihrerseits den Demokraten dort fünf Sitze mehr einbringen könnten. Zwar muss dort in einem Referendum noch darüber abgestimmt werden, doch damit wären die texanischen Änderungen wieder ausgeglichen. Politiker wie Obama, die das Gerrymandering bisher abgelehnt haben, unterstützen diesen Schritt, da er das Gleichgewicht wiederherstellt und man den politischen Gegner nicht alleine unfair spielen lassen will. Tatsächlich findet eine Mehrheit der Amerikaner das texanische Vorgehen falsch.
Das ganze könnte sich theoretisch noch weiter ausweiten. Aufgrund dieser Eskalation ist auch von Redistricting Wars die Rede. Weitere demokratisch wie republikanisch regierte Staaten haben damit gedroht, ihrerseits Wahlkreise zugunsten ihrer Partei neu zu ziehen. Problematisch ist dabei, dass keiner sie davon abhalten kann und Demokraten und Republikaner die Grenzen ändern können, wie sie wollen, sofern sie die Mehrheiten dafür haben. Das eigentliche Problem ist allerdings, dass dies der Demokratie schadet. Denn es geht jeweils um Änderungen auf Basis von Berechnungen bei gleichem Wählerwillen. Das heißt, selbst wenn die Leute genauso wie zuvor abstimmen, hat eine Partei nun mehr und die andere weniger Sitze. Man kann zugespitzt davon sprechen, dass die Parteien sich damit ihre Wähler aussuchen. Das entspricht dann keiner fairen Repräsentation mehr und es kann nicht mehr die Rede davon sein, dass alle Stimmen gleich viel wert sind. Die Parteien erwecken mit diesem Vorgehen stattdessen den Eindruck, dass es ihnen nur um den Machterhalt geht. Die Demokratie als Institution nimmt daher großen Schaden durch solchen Aktivismus.
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