Im September fanden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. Die Ergebnisse waren nah an den in den vorherigen Umfragen prognostizierten Zahlen dran. Man kann sie deshalb nicht als überraschend bezeichnen, aber trotzdem haben sie ein Beben ausgelöst und die Regierungsbildung erschwert. Die Ergebnisse in den einzelnen Ländern unterscheiden sich zwar und es läuft nun auf sehr unterschiedliche Regierungen in den drei Ländern hinaus. Es gibt aber dennoch ein paar Parallelen bei den Ergebnissen.
So lässt sich klar sagen, dass die Ampel-Parteien alle verloren haben. Eine Ausnahme ist nur Brandenburg, wo die SPD sich leicht verbessern konnte, aber im Wahlkampf auch bewusst auf Distanz zur Bundespartei gegangen ist. Bei der Wahl wurden also die Parteien der damaligen Bundesregierung abgestraft. Die Grünen sind sogar aus zwei Parlamenten geflogen. Und die FDP erreicht nicht einmal 5%, wenn man ihre drei Ergebnisse summiert. Bei den Landesregierungen konnten sich die Regierungschefs hingegen in zwei von drei Fällen behaupten. Die CDU in Sachsen und die SPD in Brandenburg konnten vor der AfD landen. Die Linke hatte in Thüringen weniger Erfolg, Bodo Ramelow konnte aber ein Direktmandat erringen.
Gleichzeitig kann man, bei einer hohen Wahlbeteiligung in allen drei Ländern, zwei Parteien als eindeutige Wahlsieger bezeichnen: Die AfD und das BSW. Die AfD ist sogar erstmals in einem Landtag zur stärksten Kraft geworden. Außerdem ist sie so stark geworden, dass sie in Thüringen und Brandenburg eine sogenannte Sperrminorität hat. Die anderen Parteien kommen zusammen also nicht auf ⅔ der Sitze und können ohne die AfD unter anderem keine Richter für die Verfassungsgerichte wählen.
In allen Ländern zeichnete sich eine extrem schwere Regierungsbildung ab. Praktisch war, sofern alle sich wie angekündigt von der AfD fernhalten, keine Mehrheit ohne Beteiligung des BSW möglich. Das BSW hat aus dem Stand heraus den Einzug in alle Landtage geschafft und das auch mit guten Ergebnissen. Da es unter anderem aber noch sehr wenig Mitglieder hat, ist es für die anderen schwer, politische Positionen zu erahnen. Man weiß noch gar nicht so richtig, was einen da erwartet und ob die neue Partei auch personell eigentlich in der Lage ist zu regieren. Daneben gab es beispielsweise auch in der CDU Widerstand, da im BSW einige Mitglieder sind, die vorher bei der Linken waren, zu der es aber einen Unvereinbarkeitsbeschluss von Seiten der CDU gibt. Ein großer Kritikpunkt und gleichzeitig eine Frage war auch, wie sehr die Landesverbände entscheiden und wie sehr Wagenknecht von oben herab mitbestimmt in ihrer Partei. Für Aufsehen gesorgt hat in dieser Hinsicht der Streit zwischen der Landes- und der Bundesebene während der Koalitionsverhandlungen in Thüringen. Zwar hat sich die Regierungsbildung in allen drei Ländern in den Dezember gezogen, aber jetzt stehen die Regierungen. Sie sind jedoch unterschiedlich stabil und es wird sich zeigen, wie gut die Zusammenarbeit in der Praxis funktioniert.
In Sachsen ist die CDU knapp vor der AfD auf dem ersten Platz gelandet. Mit deutlichem Abstand folgt dann das BSW, welches mit dem Sprung in den Landtag direkt drittstärkste Kraft werden konnte. Auch in den Landtag geschafft haben es SPD, Grüne und Linke. Letztere hat davon profitiert, dass es in Sachsen eine Grundmandatsklausel gibt. Weil sie zwei Direktmandate in Leipzig errungen hat, durfte sie also entsprechend ihrem Zweitstimmen-Ergebnis in den Landtag einziehen, obwohl sie keine 5% erreicht hat. Die bisherigen Koalitionspartner CDU, SPD und Grüne haben zusammen keine Mehrheit mehr. Da die CDU eine Zusammenarbeit mit der AfD und der Linken ausschließt, war nach der Wahl klar, dass sie auf das BSW angewiesen ist. Es kam dann zu Sondierungen zwischen CDU, SPD und BSW über eine sogenannte Brombeer-Koalition. Diese scheiterten jedoch. CDU und SPD sahen die Schuld fürs Scheitern beim BSW, dieses bei den anderen beiden Parteien. CDU und SPD haben sich anschließend auf eine Minderheitsregierung geeinigt und gemeinsam einen Koalitionsvertrag erarbeitet. Michael Kretschmer von der CDU wollte sich dann am Mittwoch erneut zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Gegenkandidaten waren der Fraktionsvorsitzende der AfD Jörg Urban und Matthias Berger von den Freien Wählern. Die Wahl war offen, da Kretschmer keine sichere Mehrheit hinter sich hatte. Im ersten Wahlgang wäre eine Mehrheit von 61 Abgeordneten nötig gewesen. Die hat er nicht erreicht. Ab den folgenden Wahlgängen hätte ihm schon eine Mehrheit gegenüber den anderen Kandidaten gereicht. Schon im zweiten Wahlgang hat er nicht nur das geschafft, mit 69 Stimmen hat er sogar eine absolute Mehrheit erreicht und das mit deutlich mehr Stimmen als seine Koalition hat. Das war insofern nicht verwunderlich, als dass die Linke und das BSW nahezu geschlossen Kretschmer wählten. Das BSW hatte daran Bedingungen geknüpft und auch die Linke sprach explizit nur von einem Vertrauensvorschuss. Trotz des guten Ergebnisses hat die von Kretschmer geführte Koalition aus CDU und SPD eine schwere Aufgabe vor sich, denn sie muss sich die Mehrheiten nun für jedes Gesetz erkämpfen. Anders als in anderen Ländern sind Minderheitsregierungen in Deutschland extrem untypisch. Üblich sind feste Mehrheiten, die für Stabilität stehen.
In Thüringen ist die AfD die stärkste Kraft geworden. Dahinter folgen CDU, BSW, Linke und SPD in dieser Reihenfolge. Auch hier schließen alle anderen eine Zusammenarbeit mit der AfD aus. Es deutete sich früh eine Koalition aus CDU, BSW und SPD an, ähnlich wie in Sachsen. Anders als dort hat diese Konstellation in Thüringen jedoch keine Mehrheit, ist aber auch keine richtige Minderheitsregierung. Denn die Brombeer-Koalition hat mit genau 44 der 88 Abgeordneten eine Patt-Situation im Landtag. Da die FDP und die Grünen am Einzug in den Landtag gescheitert sind, sind für Mehrheiten Stimmen der AfD oder der Linken notwendig. So kam es dazu, dass Mario Voigt von der CDU für seine Wahl in der letzten Woche auf Stimmen der Linken angewiesen war, um nicht von der AfD abhängig zu sein für die Wahl zum Ministerpräsidenten. Nach der letzten Wahl war es noch so, dass die damalige Rot-Rot-Grüne Regierung von Bodo Ramelow (Linke) keine Mehrheit hatte und umgekehrt von der CDU geduldet wurde. Wie in Sachsen mit dem Hinweis auf einen Vertrauensvorschuss gab es auch in Thüringen Stimmen von der Linken und so wurde Voigt bereits im ersten Wahlgang erfolgreich gewählt.
In Brandenburg ist wie in Sachsen die größte Regierungspartei knapp vor der AfD gelandet, in diesem Fall die SPD, die zum Ende hin nochmal stark aufgeholt hat. Mit deutlichem Abstand folgen BSW und CDU. Grüne und Linke haben es nicht erneut in den Landtag geschafft. Eine naheliegende Koalition aus SPD und CDU hat, ähnlich wie in Thüringen, nur 44 von 88 Sitzen und damit keine Mehrheit. Man wäre also auf Stimmen des BSW angewiesen. Die CDU hat bereits kurz nach der Wahl signalisiert, dass sie an einer Koalition in dieser Situation kein Interesse hat. Deswegen lief es auf die SPD und das BSW hinaus. Verglichen mit den anderen beiden Ländern wurde hier relativ geräuscharm verhandelt. Und obwohl die Wahl nach den anderen stattfand, stand in Brandenburg zuerst die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten an. Wiedergewählt werden wollte Dietmar Woidke von der SPD. In Brandenburg hat die Koalition sogar eine Mehrheit, wenn auch nur von einer Stimme mehr als notwendig. Diese knappe Mehrheit reichte nicht aus, um im ersten Wahlgang gewählt zu werden. Erst im zweiten hat es geklappt, dann sogar mit Stimmen aus der Opposition. Wobei AfD wie CDU bestreiten, für Woidke gestimmt zu haben. Da es eine geheime Wahl war, lässt sich nicht sagen, wer letztlich für ihn gestimmt hat.
Alle drei Bundesländer haben nun eine neue Regierung, nicht alle von diesen haben eine parlamentarische Mehrheit und für alle Koalitionen wird das Regieren sehr schwer. Denn auch in Brandenburg, wo die Koalition eine Mehrheit hat, ist diese minimal. Und für funktionierende Mehrheiten ohne die AfD ist in jedem Land das BSW nötig, wo noch immer nicht klar ist, wie es im Parlament agiert und wie gut es funktioniert. Schließlich hat es noch sehr wenig Mitglieder. Das BSW selbst hätte auch kein Problem damit, wenn ein eigener Antrag durch die AfD eine Mehrheit erhält, die anderen jedoch schon. Weshalb letztlich in allen drei Ländern die Kompromissbereitschaft in den Koalitionen von nun an sehr hoch sein muss bei allen Beteiligten. Es bleibt schwer.
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