Die NATO, ein Verteidigungsbündnis mit heute 32 Mitgliedern, feierte vor kurzem einen runden Geburtstag. Sie wurde am 4. April 75 Jahre alt. Die NATO wurde 1949 nur wenige Jahre nach dem Ende des 2. Weltkriegs gegründet. Denn schon am Ende des Krieges und anschließend immer stärker hat sich die Rivalität zwischen der Sowjetunion und den ehemaligen Alliierten herauskristallisiert. Politisch gab es in Europa schon seit 1917 das Schreckgespenst des Kommunismus. Da die Sowjetunion im Zuge des Krieges ihr Einflussgebiet immer weiter ausgebaut hat und ideologisch den anderen Alliierten konträr gegenüberstand, hat im Westen Europas das Sicherheitsbedürfnis zugenommen.
Am 4. April 1949 haben sich dann die USA, Kanada, Belgien, Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen und Portugal zur North Atlantic Treaty Organization zusammengeschlossen, der NATO, manchmal auch als Nordatlantikpakt bezeichnet. Diese war und ist ein Verteidigungsbündnis, sie hat keinen offensiven Charakter. Es ist auch festzuhalten, dass sie im Zuge des sich damals entwickelnden Kalten Krieges auch einen politischen Charakter hat und das auch heute noch. Dem Beitritt eines neuen Mitgliedes müssen alle anderen Mitglieder zustimmen. Man beruft sich auf gemeinsame Werte als Grundlage der Zusammenarbeit. Eine eigene Armee ist jedoch keine Bedingung für die Aufnahme. Island hatte damals und hat auch heute keine eigenen Streitkräfte.
Die NATO war damals nicht das einzige große Militärbündnis. Auf Initiative der Sowjetunion gründeten einige Jahre später die kommunistischen Staaten Osteuropas das als Warschauer Pakt bekannte Bündnis, welches als Gegenstück zur NATO gesehen werden kann. Die Rivalität des Kalten Krieges war damit in Bündnissen zementiert, der blauen NATO stand der rote Warschauer Pakt entgegen.
Einige Jahre nach der Gründung sind auch die BRD und die DDR dem ihnen ideologisch nahestehenden Bündnis beigetreten. Die Maßnahme wurde nicht mit Begeisterung in der Bevölkerung aufgenommen. Auch bei den westlichen Alliierten gab es nicht nur fröhliche Zustimmung zu der Idee, die Deutschen so kurze Zeit nach dem 2. Weltkrieg wieder zu bewaffnen. Um die BRD im Westen stärker einzubinden, gab es beispielsweise auch die Idee einer Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, die aber am französischen Parlament scheiterte. Die Deutschen wurden trotzdem bewaffnet, weil es naheliegend war, da sie im Falle eines Krieges Frontstaat wären und sich an der eigenen Sicherheit auch beteiligen sollten. Beispiel eines Krieges auf geteiltem Land war der Koreakrieg damals in den 1950er Jahren. Ein Krieg schien als ein viel realistischeres und gefürchtetes Szenario, als man rückblickend denken mag.
Der Kalte Krieg endete letztlich zusammen mit der Sowjetunion. Es gab die Hoffnung, dass die Welt mit dem Ende des Block-Gegensatzes sicherer werden würde und es international ruhiger werden würde. Verträge wie die NATO-Russland-Grundakte von 1997 unterstützen diese Hoffnung in den 1990ern. Aber mit dem aufkommenden Terrorismus und auch weiterhin vielen Spannungen auf der Welt wurde diese Hoffnung enttäuscht. Tatsächlich wurde nach 9/11 das erste und bisher einzige Mal der Bündnisfall nach Artikel 5 der NATO-Verträge ausgerufen. Dieser bekannte Artikel besagt, dass ein Angriff auf ein Mitglied als ein Angriff auf alle Mitglieder zu werten ist und entsprechende Unterstützung geleistet wird. Eben jener Artikel ist auch die Grundlage der Abschreckung im Kalten Krieg gewesen und nun auch danach essenziell. Wer ein NATO-Mitglied angreift, bekommt es mit der geballten Stärke aller ihrer Mitglieder zu tun. Diese Beistandsgarantie im Falle eines Angriffs hat die NATO damals wie heute attraktiv gemacht. So sind seit dem Ende des Kalten Krieges auch viele ehemalige Staaten des Ostblocks dem Bündnis beigetreten.
Die Geschichte der NATO ist allerdings nicht immer ruhmreich gewesen. Der Einsatz in Afghanistan endete in einem peinlichen Rückzug, den Ortskräften konnte nicht ansatzweise geholfen werden wie versprochen und das sogenannte Nation Building, also das Aufbauen von funktionierenden staatlichen, demokratischen Strukturen, hat auch nicht funktioniert, wie sich schon sehr schnell feststellen ließ.
Dass, so unschön das ist, eine gut ausgestattete und vorbereitete Armee auch heutzutage noch notwendig sein kann, hat sich im Februar 2022 gezeigt, als Russland seinen Angriffskrieg auf die Ukraine gestartet hat. Diese Erkenntnis zeigt sich auch im sehr stark genutzten und diskutierten Begriff der Zeitenwende. Beispielhaft für diese sind die Beitritte von Finnland und Schweden zur NATO. Beide haben vorher auf eine jahrzehntelange Neutralität hinsichtlich der militärischen Bündnisse zurückschauen können. Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat sich die Stimmung in den Ländern aber schnell gedreht und es gab erstmals Mehrheiten für einen Beitritt zur NATO. Im Falle Finnlands wurde dieser 2023 und im Falle Schwedens, aufgrund von Verzögerungen durch Ungarn und die Türkei, 2024 vollzogen.
Laut Putin wollte die NATO sich nach Osten ausbreiten. Er spricht von einer gezielten Einkreisung. Dass er diesen Schritt provoziert hat, sieht er nicht. Dabei bittet die NATO andere Länder nicht gezielt um einen Beitritt. Die Länder fragen an und müssen dann einstimmig von allen Mitgliedern akzeptiert werden und auch verschiedene Bedingungen erfüllen. Was diese Länder zu ihren Anträgen bewegt hat und auch die Osteuropäer, die nach dem Kalten Krieg in mehreren Etappen der NATO beigetreten sind, zu ihrem militärischem Engagement für die Ukraine verleitet, ist die aggressive Expansion vom Russland Putins und in diesem Zuge auch stark dessen Unberechenbarkeit. Es gibt eine als stark empfundene Bedrohungslage in den östlichen Mitgliedsstaaten des Bündnisses. Alte Verträge wurden von Putin ignoriert, wie soll man sich, auch im Hinblick auf Gedankenspiele über Friedensverhandlungen, auf sein Wort verlassen können?
Die NATO ist also immer noch aktuell, könnte man sagen. Und doch ist die Arbeit in der NATO nicht immer so reibungslos und problemfrei. Der Beitritt von Schweden kam erst deshalb so spät zustande, weil Ungarn und die Türkei die entsprechenden Verträge so spät ratifiziert haben. Insbesondere von Seiten der Türkei wurde noch politischer Druck auf Schweden ausgeübt, weil man wegen der dortigen Koranverbrennungen verärgert war.
Auch die USA sind unzufrieden. Sie wollen, unabhängig von der Partei, nicht mehr die Sicherheit der Europäer garantieren, während man zugleich das Gefühl hat, dass diese sich genau darauf ausruhen. Deswegen wird verlangt, dass Europa mehr Geld in die eigene Verteidigung steckt. Hineinspielen tut hierbei auch, dass für die USA mittlerweile China als größter Rivale angesehen wird und man sich sicherheitspolitisch seit einigen Jahren zunehmend auf den Pazifik konzentriert. Die Europäer sollen unter anderem deswegen mehr in die eigene Sicherheit investieren.
Tatsächlich hat sich in den letzten zwei Jahren in dieser Hinsicht auch einiges getan, für manche Experten aber noch deutlich zu wenig. Bei all den Aufrüstungs- und Tüchtigkeitsdebatten geht es letztlich um etwas, was auch schon im Kalten Krieg ein Kern der NATO-Doktrin war: Durch Stärke abschrecken, um so einen Krieg zu verhindern.
Diese Position der Stärke ist essenziell, um von Leuten wie Putin ernst genommen zu werden. Wer in einer sichtbar schwächeren Position ist, ist am Ende auch in keiner Position für faire Verhandlungen. Ein möglicher Krieg muss als ein Szenario gesehen werden, in dem es nichts zu gewinnen gibt. Das soll den Herrschern wie Putin klargemacht werden. In diesem Sinne geht es beim Aufrüsten darum, genau diese Waffen nicht einzusetzen.
Entgegen den Hoffnungen vieler ist die Welt also mit dem Ende des Kalten Krieges letztlich nicht sicherer geworden. Die NATO wurde in sicherheitspolitisch unsicheren Zeiten gegründet und die Welt ist immer noch zu unsicher und das Bündnis dabei attraktiv genug geblieben, dass ihr im Laufe der Zeit immer mehr Mitglieder beigetreten sind oder dies noch wollen. In diesem Sinne kann man die NATO als ein Erfolgsprojekt bezeichnen. Aber zugleich ist es traurig, dass ihre Existenz auch nach 75 Jahren noch mehr als berechtigt und ein solches Bündnis notwendig ist.
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