Ich bin das Thema AfD eigentlich leid und an sich auch nicht sicher, ob es ab einem gewissen Zeitpunkt noch so zielführend ist, immer die gleichen Debatten zu führen. Ich bin der Meinung, dass man der Partei dadurch nur unnötig Aufmerksamkeit gibt mit all diesen Debatten und damit auch Aufmerksamkeit für ihre krummen Thesen, leeren Versprechungen und verrohende Sprache. Aber auf der anderen Seite muss man bei den Umfragewerten, die immer neue Höhen erreichen und nach den kürzlichen Erfolgen auf Kommunalebene, wohl doch weiter darüber reden und vor der AfD warnen. Im politischen Betrieb gerät man immer inhaltlich mit anderen aneinander, aber die AfD verbreitet dabei Hass und Hetze. Sie setzt auf eine bewusste Empörung. Selbstkritisch sind sie dabei nicht. Sie polarisieren mit Absicht. Wie in anderen Ländern wissen die Rechten auch hier, dass manche immer gegen sie sein werden und das nutzen sie bewusst aus, um durch Polarisierung Gräben zu schaffen und die eine Seite für sich zu nutzen. Man muss nur deutlich genug gegen „die anderen“ sein, um sich so seiner eigenen Anhänger sicher zu sein. Und es stimmt ja auch, dass in der Politik in den letzten Jahren viel Vertrauen verspielt wurde. Zu einer Alternative, wie es der Name suggeriert, macht das die AfD allerdings noch lange nicht, zumindest zu keiner demokratisch vertretbar wählbaren.
Was beunruhigt akut so besonders? Die AfD konnte vor kurzem zwei Wahlen gewinnen, um ein Landratsamt und ein Bürgermeisteramt. Es ging jeweils um kleine Gemeinden. Dennoch sind es beachtenswerte Ergebnisse und Erfolge für die AfD. Sie stellen jetzt ihren ersten Landrat und das obwohl in der Stichwahl die anderen großen Parteien sich alle hinter dem CDU-Kandidaten versammelt hatten. Es reicht also nicht mehr, wenn sich die anderen im Notfall zusammentun. Die Wahl des Bürgermeisters wiederum folgte schon wenige Tage später. Man könnte das für Kleinigkeiten halten und damit abtun, dass es nunmal lokale Wahlen auf kommunaler Ebene waren. Doch zur gleichen Zeit steigen die Werte der AfD auch in bundesweiten Wahlumfragen seit Monaten und sie erreicht seit Wochen immer neue Höchstwerte. Aktuell liegt sie mit 20% oder mehr auf dem zweiten Platz hinter der Union und damit auch vor der SPD als Kanzlerpartei. Und laut aktueller Insa-Umfrage hat sogar jeder Dritte schon einmal überlegt, die AfD zu wählen.
Nun muss man die Umfragen insofern relativieren, als dass Regierungen immer zur Mitte der Legislatur unbeliebter werden und die Opposition folglich an Zustimmung gewinnt. Aber diese Tatsache ist auch nur leicht relativierend, denn das Umfragehoch ist höher als früher, als die AfD sogar die größte Oppositionspartei im Bundestag war. Und sie profitiert quasi als einzige, Union und Linke tun dies nicht. Entsprechend sollten einem diese Umfragen durchaus zu denken geben. Zu bedenken ist auch, dass es sich um ein aktuelles Meinungsbild handelt bei der Sonntagsfrage, die allen Sorgen bereitet. Es sind bisher Momentaufnahmen. Die Zahlen werden sich nicht zwangsläufig in Ergebnissen widerspiegeln, auch wenn sie es können.
Falls es jedoch doch so kommt, hat das auch Folgen fürs Regieren in den Ländern. Im nächsten Jahr stehen Europawahlen an und Landtagswahlen in drei ostdeutschen Bundesländern, wo die AfD besonders stark ist, in Thüringen, Sachsen und Brandenburg.
Die AfD steht wie gesagt bei bundesweiten Umfragen aktuell auf dem zweiten Platz, dort könnte sie dann auch bei den Europawahlen landen. In den östlichen Bundesländern könnte sie sogar stärkste Kraft werden, insbesondere in Thüringen liegt sie bei über 30%, Linke und CDU folgen mit um die 20%, der Rest ist abgeschlagen. Schon jetzt ist das Regieren dort schwer, weil AfD und Linke eine theoretische Mehrheit haben, die CDU aber mit keiner von beiden Parteien zusammenarbeiten will. Wenn die AfD auch nicht in Regierungsverantwortung kommt in einem dieser Bundesländer, fällt es doch immer schwerer, eine funktionierende Koalition zu bilden. Denn es werden tendenziell immer mehr Parteien dafür benötigt. Das wirkt nach außen dann leider immer mehr wie ein Zwangsbündnis und es ist natürlich auch inhaltlich immer schwerer, auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen.
Solche Werte in Umfragen und dann potenziell als Ergebnisse bei Wahlen werfen natürlich die Frage auf, wofür die AfD steht und wieso man sie wählt. Tatsächlich wählt laut Umfragen nur ein gutes Drittel der AfD-Wähler diese aus Überzeugung, zwei Drittel hingegen, weil sie von den anderen Parteien enttäuscht sind. Der Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung warnt jedoch davor, die Wahl der AfD als Protest zu begreifen. Es gibt durchaus Sympathie für die politischen Inhalte der AfD, insbesondere in Ostdeutschland, wo sie in Umfragen meist doppelt so stark ist wie in Westdeutschland.
Thematisch sind ihre Positionen oft denen der Grünen komplett entgegengesetzt. Das wird besonders beim Klima deutlich. Der menschengemachte Klimawandel wird von der AfD geleugnet. So fordert sie in ihrem Leitantrag zur Europa-Wahl im nächsten Jahr unter anderem, dass alle Klimaschutzgesetze und der Emissionshandel abgeschafft werden sollen. Oft wird dort auch eine Kompetenzverschiebung von der europäischen zur nationalen Ebene gefordert, verbunden mit konkreten Ideen und Vorschlägen ist dies jedoch selten. Die Position zum Klima zeigt wie die zur Russlandpolitik, die AfD vertritt die russlandfreundlichste Politik der im Bundestag vertretenen Parteien, warum Union und Linke von der Unzufriedenheit mit der Ampel nicht ebenfalls profitieren. Die AfD vertritt teilweise einfach Positionen, die sich so bei keiner der anderen größeren Parteien finden und kann daher am besten bestimmte Wähler auffangen.
Die Positionen der AfD sind dabei oft nicht nur deutlich anders als die der anderen Parteien, sondern werden von diesen auch als extrem wahrgenommen. Deshalb will auch keiner mit der AfD koalieren und es ist immer die Rede von einer Brandmauer. Es sind sich außerdem alle einig, dass durch die AfD der öffentliche Diskurs verroht und sich verschiebt. Sie selbst behauptet gerne, sich nur für Meinungsfreiheit einzusetzen. Dabei teilt sie oft gegen Minderheiten aus und verbreitet Verschwörungstheorien. Solche werden laut Verfassungsschutzchef auch von aktuellen Kandidaten für die Europawahl verbreitet. Die AfD sieht sich durch dieses Verhalten der anderen Parteien in eine Opferrolle gedrängt und zugleich auch politisch bestätigt. Diese ist allerdings von der Partei selbst auch inszeniert. So lässt sich nämlich besser gegen „die da oben“ pöbeln, die einen bewusst unten halten. Und so können sich Leute, die sich abgehängt fühlen, besser mit der Partei identifizieren. Es geht der Partei nämlich mehr um Emotionalisierung denn um realistische Lösungen. Solange man nicht regiert, muss man schließlich auch nicht abliefern.
Dass der Verfassungsschutz die Partei als Verdachtsfall Rechtsextremismus einstuft und der Chef des Verfassungsschutzes regelmäßig vor der Partei warnt, hilft der AfD noch mehr, sich als Opfer zu inszenieren und scheint bisher kaum Wähler abzuschrecken. Ich bin der Meinung, dass diese Einstufung einem durchaus zu denken geben sollte. Auch im Hinblick auf mögliche Protestwähler kann man natürlich nicht jeden als rechtsextrem bezeichnen, der die AfD wählt. Das ist ganz klar. Man kann auch nicht jedes Mitglied so bezeichnen. Das sind oft auch einfach politisch engagierte Menschen, die von den anderen Parteien enttäuscht sind. Aber, und das muss man betonen, weil das letztlich das Entscheidende ist, die Personen, die am Ende in den Parlamenten sitzen, vertreten nachweislich rechtsextreme Positionen. Und das sind die Leute, die AfD-Positionen verbreiten und im bisher theoretischen Falle einer Regierungsbeteiligung auch aktiv Politik gestalten würden. Vielleicht wählt man im Einzelnen keine rechtsextreme Person, aber man unterstützt auf jeden Fall eine rechtsextreme Politik, wenn man die AfD wählt.
Das hält die Wähler bisher offensichtlich nicht groß davon ab, trotzdem die AfD zu wählen. Die Ergebnisse und Umfragen zeigen das. Die AfD verdankt ihren Höhenflug zum Teil dem Zeitpunkt zur Hälfte der Legislatur, aber welchen Anteil haben die anderen auch daran?
Alle sagen, wir müssen auf die Wähler schauen und den Leuten zuhören. Das stimmt. Aber es gibt mittlerweile schon einige Studien, die durchaus beleuchtet haben, was die Leute wollen, was sie beschäftigt. Da muss man dann auch mal anpacken und diese Dinge angehen. Dass die aktuelle Regierung, die Ampel, das macht, wird von nur wenigen so gesehen. Was die Ampel stattdessen im Übermaß tut, das ist streiten und zwar öffentlich. Das wirft kein gutes Licht auf sie und den politischen Betrieb im Ganzen. Die Unzufriedenheit zeigt sich dann entsprechend in den Umfragen. Die Union wird, obwohl ja auch Opposition, nicht immer ausreichend als solche wahrgenommen, insbesondere wenn sie wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr mit der Ampel zusammenarbeitet. Das war aus meiner Sicht absolut richtig, aber verstärkt eben den Eindruck, dass sie nicht ausreichend Opposition ist. Und will sie mal Paroli bieten, dann oft sich selbst, wenn mal eine öffentliche Äußerung nicht im Sinne aller war. Ähnlich den Politikern der Ampel, können sich auch die Unions-Politiker sehr gut öffentlich gegenseitig widersprechen und gegeneinander sticheln, statt dies persönlich und intern zu klären und dann nach außen geschlossen zu agieren.
Ich bin ein Vertreter der Position, dass man mit guter Politik die beste Eigenwerbung betreibt. Probleme zum Angehen gibt es auch genug, all die Krisen belasten ja doch sehr stark. Wenn unsere Regierung dann mal etwas schafft und nicht nur streitet, dann schafft sie es wiederum nicht, das als Erfolg zu kommunizieren. Dass die Gas-Versorgung gesichert war im letzten Winter und alles gut ging, daran erinnert sich schon fast keiner mehr. Die Ampel kommuniziert schlecht nach außen, sie bietet zu wenig Kümmergefühl und geht zu wenig auf die Emotionen der Leute ein. Die Bürger müssen merken, dass ihre Sorgen ernst genommen und angegangen werden. Das geschieht noch nicht wirklich.
Die AfD hat also das Stimmungsmomentum zur halben Legislaturperiode auf ihrer Seite, aber die anderen Parteien bieten aktuell auch keine politisch überzeugenden Alternativen. Im Sinne der Politik als Eigenwerbung bin ich überzeugt, dass alle anderen es durchaus in der Hand haben, ob die AfD weitere Zustimmung erfährt oder dies nur eine begrenzte Phase bleibt. Dafür muss aber auch was passieren, von selbst geht das nicht. Dabei sollte man sich aber davor hüten, sich von ihr die Themen diktieren zu lassen oder ihre Sprache zu übernehmen, dadurch legitimiert man sie nur indirekt. Wovon letztlich wieder nur die AfD profitiert. Stattdessen sollte man die Probleme angehen und den Raum mit eigenen Ideen und politischen Visionen füllen. Schließlich ist es überzeugender, wenn man etwas hat, für das man ist, als wenn man nur gegen etwas ist.
Und jeder kann im Kleinen seinen Teil beitragen, indem man nicht die AfD wählt. Sie ist bei uns noch nicht so stark wie die rechten Parteien in anderen Ländern und wir sollten dafür sorgen, dass das so bleibt. Wo in Ungarn Minderheiten sich immer unsicherer fühlen, in Polen der Rechtsstaat umgebaut wird und in beiden Ländern die Regierung starken Einfluss auf die Medien ausübt, können wir aktuell noch froh sein. Dass die Rechte sich von selbst in Regierungsverantwortung entzaubert, sollte man dabei auch nicht glauben. Im europäischen Umfeld und anderswo hat das bisher nicht funktioniert. Trump könnte erneut Präsidentschaftskandidat der Republikaner werden und das trotz mehrerer laufender Verfahren gegen ihn. Und auch die Partei von Meloni, der italienischen Ministerpräsidentin, erfreut sich auch nach der Wahl, die einige Monate her ist, noch hoher Werte in den Umfragen.
Dem entsprechend sollten die Politiker den Rechten immer Paroli bieten und man selbst als Wähler eine andere Partei wählen. Am Ende ist man auch als Protestwähler und Mitläufer für die Folgen verantwortlich, wenn man Rechtsextreme wählt. Man sollte nicht unterschätzen, was sie für einen Schaden anrichten können, sollten sie je in Regierungsverantwortung kommen. Unsere Institutionen sind anfälliger als man meinen mag. Und schon jetzt vergiften sie den Diskurs mit ihrer Sprache und ihren völkischen Parolen. Dessen sollte man sich bei all dem bewusst sein.
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